GmbHG: Ist ein Einwurf-Einschreiben ein "eingeschriebener Brief"?
Das GmbH-Gesetz sieht an diversen Stellen vor, dass Erklärungen der Gesellschaft „mittels eingeschriebenen Brief“ versendet werden müssen. Erfolgt dieses nicht, ist die in dem Schreiben enthaltene Erklärung unwirksam.
Fast 19 Jahre nach der Einführung des Einwurf-Einschreiben hatte der BGH nunmehr Gelegenheit, die Fragen zu beantworten, ob auch das Einwurf-Einschreiben dem gesetzlichen Erfordernis des § 21 Abs. 1 Satz 1 GmbHG genügt und welcher Beweiswert dieser Versendeart zukommt.
Der BGH gelangt zu dem Ergebnis, dass das Einwurf-Einschreiben den Anforderungen an die Zustellung mittels „eingeschriebenen Briefes“ entspreche, sofern der Gesellschaftsvertrag keine weiteren Regelungen enthält. Zudem streite bei Vorlage des Einlieferung- und des Auslieferungsbelegs ein Anscheinsbeweis für den Zugang des Einwurf-Einschreibens beim Empfänger.
Hintergrund
Dem Urteil des Bundesgerichtshofs lag eine Auseinandersetzung zwischen einer Gesellschaft und ihrem Gesellschafter zugrunde, der seine Stammeinlage noch nicht vollständig erbracht hatte. Die Gesellschaft forderte den Gesellschafter mittels eines Einwurf-Einschreiben unter Fristsetzung auf, die restliche Stammeinlage zu zahlen. Für den fristlosen Ablauf der Zahlungsfrist kündigte die Gesellschaft an, die Geschäftsanteile zu kaduzieren (einzuziehen). § 21 Abs. 1 Satz 1 GmbHG sieht vor, dass die Aufforderung dem Gesellschafter "mittels eingeschrieben Brief" zuzustellen ist.
Nach Auffassung der wohl überwiegenden Meinung in der Literatur kann die Übersendung nur mittels Übergabe-Einschreiben wirksam erfolgen, weil nur diese Versendetart einen sicheren Zugang gewährleiste. Eine höchstrichterliche Entscheidung stand zu dieser Frage noch aus.
Urteil des BGH vom 27.09.2016 – II ZR 299/15
In seinem Urteil hat der BGH eine Gesamtbetrachtung der Vor- und Nachteile der beiden Versendearten in Bezug auf Sinn und Zweck der Regelung vorgenommen. Er gelangt zu der Entscheidung, dass beide Versendearten dem Sinn und Zweck der Regelung nach - namentlich der Zugangssicherung und der Sicherung der Beweisführung - zumindest gleichwertig seien. Die Übersendung nach § 21 Abs. 1 Satz 1 GmbHG könne somit auch wirksam mit Einwurf-Einschreiben erfolgen.
Bezüglich der Zugangssicherung sei maßgeblich, dass das Schreiben in den Machtbereich des säumigen Gesellschafters gelangt und dieser unter normalen Umständen davon Kenntnis nehmen kann. Im Gegensatz zum Übergabe-Einschreiben habe das Einwurf-Einschreiben insoweit sogar gewisse Vorteile. Ist der Empfänger eines Übergabe-Einschreibens beim Zustellungsversuch nicht vor Ort, so werde lediglich eine Benachrichtigungskarte in den Briefkasten eingelegt, mit der Mitteilung, dass die Sendung innerhalb einer Frist von 7 Werktagen zur Abholung bereitliegt. Erfolgt diese Abholung durch den Empfänger nicht, müsse sich der Empfänger nicht stets nach Treu und Glauben so behandeln lassen, als ob ihm die Erklärung zugegangen sei, was Rechtsunsicherheit schaffe. Zu diesen Zugangsschwierigkeiten könne es beim Einwurf-Einschreiben nicht kommen, denn die Ablieferung erfolge in diesem Fall durch Einwurf der Sendung in den Briefkasten, der im Machtbereich des Empfängers liege.
Mit Blick auf die Beweissicherung steht das Einwurf-Einschreiben dem Übergabe-Einschreiben – letzteres wird vom Empfänger unterschrieben – zwar nicht gleich, komme diesem aber relativ nah. Bei Vorlage des Einlieferungsbeleges zusammen mit der Reproduktion des Auslieferungsbeleges streite ein Anscheinsbeweis dafür, dass das Schreiben in den Briefkasten des Empfängers eingelegt und somit in seinen Herrschaftsbereich gelangt sei.
Anmerkung
Es ist erfreulich, dass nunmehr 19 Jahre nach Einführung des Einwurf-Einschreibens im Bereich des § 21 GmbHG Klarheit darüber herrscht, dass das Aufforderungsschreiben auch mit Einwurf-Einschreiben versendet werden kann. Die hiermit für die betroffenen Gesellschaften und Gesellschafter einhergehende Klarstellung ist für die Praxis zu begrüßen.
Soweit der Gesellschaftsvertrag keine abweichenden Regelungen enthält, steht der Gesellschaft mit dieser Versendeart künftig ein weiteres Mittel zur Verfügung, Zustellungen zu bewirken. Die Gesellschaft kann sich künftig entscheiden, ob sie - wie gehabt - die Zustellung mit Übergabe-Einschreiben vornehmen will. Vorteilhaft ist insoweit der erhöhte Beweiswert durch die Unterschrift des Empfängers. Befürchtet die Gesellschaft allerdings, dass der Empfänger das Einwurf-Einschreiben nicht entgegennehmen oder abholen wird, so dürfte künftig das Einwurf-Einschreiben den Vorzug erfahren. Wählt die Gesellschaft das Einwurf-Einschreiben so sollte sie allerdings sicherzustellen, den Einlieferungsbeleg und den – online abrufbaren – Auslieferungsbeleg sicher zu verwahren, dass sie später auf diese Unterlagen in einem Rechtsstreit zur Beweisführung zurückgreifen kann.
Die Einladung zur Gesellschafterversammlung hat nach § 51 Abs. 1 GmbHG ebenfalls mittels eingeschriebenen Brief zu erfolgen. Da auch bei dieser Norm die Zugangs- und Beweissicherung im Vordergrund steht, dürften auch die Einladungsschreiben künftig den Gesellschaftern mit Einwurf-Einschreiben zugestellt werden können. Da sich der BGH nicht ausdrücklich zu dieser Regelung erklärt hat, bleibt allerdings ein gewisses Restrisiko, dessen Klärung hoffentlich nicht abermals 19 Jahre auf sich warten lassen wird.
BGH Urteil vom 27.09.2016 – II ZR 299/15, Fundstelle BGH, NJW 2017, 68
§ 21 GmbHG Kaduzierung
(1) Im Fall verzögerter Einzahlung kann an den säumigen Gesellschafter eine erneute Aufforderung zur Zahlung binnen einer zu bestimmenden Nachfrist unter Androhung seines Ausschlusses mit dem Geschäftsanteil, auf welchen die Zahlung zu erfolgen hat, erlassen werden. Die Aufforderung erfolgt mittels eingeschriebenen Briefes. Die Nachfrist muss mindestens einen Monat betragen.
(2) Nach fruchtlosem Ablauf der Frist ist der säumige Gesellschafter seines Geschäftsanteils und der geleisteten Teilzahlungen zugunsten der Gesellschaft verlustig zu erklären. Die Erklärung erfolgt mittels eingeschriebenen Briefes.
(3) Wegen des Ausfalls, welchen die Gesellschaft an dem rückständigen Betrag oder den später auf den Geschäftsanteil eingeforderten Beträgen der Stammeinlage erleidet, bleibt ihr der ausgeschlossene Gesellschafter verhaftet.