Sorgerecht: Kein Vorrang der gemeinsamen Sorge
Der Bundesgerichtshof hat hinsichtlich seiner Rechtsprechung zum Sorgerecht nunmehr im Beschluss vom 11.05.2005 - XII ZB 33/04 klargestellt, dass im Falle elterlicher Uneinigkeit über die Sorgerechtsregelung der gemeinsamen Sorge keineswegs von vornherein ein Vorrang zukommt vor der Alleinsorge eines Elternteils.
Schon weil sich elterliche Gemeinsamkeit in der Realität nicht verordnen lasse, sei nicht grundsätzlich davon auszugehen, dass die gemeinsame Sorge im Zweifel die für das Kind beste Form der Wahrnehmung elterlicher Verantwortung sei.
Der BGH führt in seinem Urteil zu dieser Fragestellung aus:
Leben die gemeinsam sorgeberechtigten Eltern, nicht nur vorübergehend getrennt, ist gemäß § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB einem Elternteil auf seinen Antrag - auch ohne Zustimmung des anderen Elternteils - die elterliche Sorge allein zu übertragen, wenn dies dem Kindeswohl am besten entspricht.
Diese Regelung bedeute nicht, dass dem Fortbestand der gemeinsamen Sorge ein Vorrang vor der Alleinsorge eines Elternteils eingeräumt wird. Ebenso wenig bestehe eine gesetzliche Vermutung dafür, dass die gemeinsame Sorge im Zweifel die beste Form der Wahrnehmung der elterlichen Verantwortung ist.
Wenn sich die Eltern bei Fortbestehen der gemeinsamen Sorge fortwährend über die das Kind betreffenden Angelegenheiten streiten und es ihnen nicht gelingt, im Rahmen der gemeinsamen elterlichen Sorge zu Entscheidungen im Interesse des Kindes zu gelange, sei der Alleinsorge eines Elternteils gegenüber dem Fortbestand der gemeinsamen Sorge der Vorzug zu geben.
Die Übertragung der Alleinsorge setze allerdings konkrete tatrichterliche Feststellungen voraus, aus denen sich ergibt, dass diese Voraussetzung vorliegt und die Übertragung der Alleinsorge auf einen Elternteil erforderlich ist. Im Rahmen seiner Prüfung habe das erkennende Gericht auch in Erwägung zu ziehen, ob dem Wohl des Kindes nicht in vergleichbarer Weise und weniger einschneidender Weise Rechnung getragen werden kann, als mit der Übertragung der Alleinsorge auf einen Elternteil, was zwangsläufig mit dem Entzug Sorgerechts des anderen Elternteils einhergehe.
BGH, Beschluss vom 11.05.2005 – XII ZB 33/04
Fundstelle: FamRZ 2005, 1167, 1168.