Krankheitsbedingte Kündigung bei voller Erwerbsminderung - „Ohne BEM geht es nicht“

Das Bundesarbeitsgericht hat in seiner Entscheidung vom 13.05.2015 (2 AZR 565/14) konsequent seinen bisherigen strengen Weg an die Anforderungen einer krankheitsbedingten Kündigung fortgesetzt.

Der seit mehr als 20 Monaten durchgängig arbeitsunfähig erkrankte Kläger erhielt die Kündigung, nachdem er die Beklagte über die bewilligte Rente wegen voller Erwerbsminderung (§ 43 II SGB VI) informiert hatte.

Im Kündigungsschutzverfahren trug er vor, es fehle an einer negativen Gesundheitsprognose; der Rentenbescheid dokumentiere nicht seine dauerhafte Arbeitsunfähigkeit als Omnibusfahrer. Während die Vorinstanzen die Klage abgewiesen hatten, hat das BAG die Urteile aufgehoben und die Sache zurückverwiesen.

Die bisherige Krankheitsdauer lasse, so das BAG, für sich genommen nicht den Schluss auf eine bestimmte (Mindest-)Dauer der zu erwartenden Arbeitsunfähigkeit zu. Die arbeitsrechtlichen Voraussetzungen für das Vorliegen einer Arbeitsunfähigkeit und die sozialrechtlichen Voraussetzungen einer Erwerbsminderung seien nicht identisch, so dass wegen einer Rentenbewilligung wegen Erwerbsminderung nicht der Schluss auf eine dauerhafte Arbeitsunfähigkeit gezogen werden könne.

Die Bewilligung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung besage nur etwas über den zeitlichen Umfang der verbliebenen Leistungsfähigkeit des Versicherten unter den marktüblichen Bedingungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Solange also die Möglichkeit bestehe, einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Umgestaltung des Arbeitsplatzes oder Weiterbeschäftigung zu geänderten Arbeitsbedingungen auf einem anderen, gegebenenfalls durch Umsetzungen „freizumachenden“ Arbeitsplatz vorzubeugen, müsse dem Arbeitnehmer die Durchführung eines „Betrieblichen Eingliederungsmanagements“ (EM) angeboten werden. Andernfalls trage der Arbeitgeber die Darlegungslast für die objektive Nutzlosigkeit des BEM.

Tipp:

Jeder Arbeitnehmer, egal ob schwerbehindert oder nicht, der länger als sechs Wochen ununterbrochen erkrankt ist, hat einen Anspruch auf ein betriebliches Einliederungsmanagement. Diesen Anspruch kann er auch von sich aus einfordern.

Jeder Arbeitgeber, der sich mit dem Gedanken einer krankheitsbedingten Kündigung trägt, sollte seinem Mitarbeiter ein BEM anbieten, um zu verhindern, dass ihm im Kündigungsschutzprozess vorgehalten wird, er hätte anstelle der Kündigung ein milderes Mittel wählen können und hierdurch gegen das Ultima-ratio-Prinzip verstoßen.

BAG, Urteil vom 13.05.2015 - 2 AZR 565/14

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