BGH: Einladung zur Gesellschafterversammlung durch abberufenen Geschäftsführer

Der abberufene, aber noch im Handelsregister eingetragene Geschäftsführer einer GmbH ist nicht befugt, zur Gesellschafterversammlung einzuladen.


Hintergrund

Sehr häufig drehen sich Gesellschafterstreitigkeiten in der GmbH um die Abberufung des Geschäftsführers. Während über die Wirksamkeit der Abberufung noch zwischen Gesellschaft und Geschäftsführer gerichtlich gestritten wird, ist eine Löschung des Geschäftsführers aus dem Handelsregister oftmals noch nicht durchsetzbar. In der Folge können Dritte, die keine Kenntnis von der Abberufung haben und somit als gutgläubig gelten, noch davon ausgehen, dass der Geschäftsführer die Gesellschaft wirksam nach außen vertreten kann, § 15 Abs. 1 HGB.

Ob sich diese nach außen wirkende Vertretungsbefugnis des § 15 Abs. 1 HGB auch auf Vorgänge im Binnenbereich der Gesellschaft erstreckt, ist größtenteils noch nicht höchstrichterlich geklärt.

In Teilen der Rechtsprechung und Literatur wird angenommen, dass der abberufene, aber noch im Handelsregister eingetragen Geschäftsführer berechtigt ist, zur Gesellschafterversammlung einzuladen. Als Begründung für diese Auffassung wird die entsprechende Anwendung des § 121 Abs. 2 Satz 2 AktG herangezogen, wonach die im Handelsregister als Vorstand der Aktiengesellschaft eingetragenen Personen als zur Einladung der Hauptversammlung befugt gelten.

Urteil des BGH vom 8.11.2016, Az II ZR 304/15

In dem vom BGH zu behandelnden Fall stritten zwei Gesellschaftergeschäftsführer eines Familienunternehmens. Im Rahmen einer Gesellschafterversammlung wurde der Geschäftsführer A abberufen. Der abberufene, aber noch im Handelsregister eingetragenen Geschäftsführer A lud daraufhin seinerseits zu einer Gesellschafterversammlung ein, auf der eine Beschlussfassung über die Bestellung seines Vaters zum Geschäftsführer und die Abberufung des anderen Geschäftsführers B angekündigt und schließlich auch beschlossen wurde. Der BGH hatte sich mit der Frage zu beschäftigen, ob der abberufene A, allein wegen des Umstandes, dass er noch im Handelsregister eingetragen war, zur Gesellschafterversammlung einzuladen konnte.

Diese Frage hat der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 8.11.2016 – II ZR 304/15 – nun beantwortet und dem abberufenen Geschäftsführer die Befugnis zur Einladung der Gesellschafterversammlung nicht zugestanden.

Obwohl die Regelung des Aktiengesetzes von der Rechtsprechung oftmals im Rahmen des GmbH-Gesetzes entsprechend herangezogen werden, um Lücken zu schließen, gelang der BGH im vorliegenden Fall zur Auffassung, dass dieses für den § 121 Abs. 2 Satz 2 AktG nicht der Fall ist, denn hierzu fehle es an einer vergleichbaren Interessenlage.

Durch die Regelung des § 121 Abs. 2 Satz 2 AktG werde im Interesse der Rechtssicherheit die Vorstandseigenschaft von zu Unrecht im Handelsregister eingetragenen Vorstandsmitgliedern fingiert. Hierdurch soll verhindert werden, dass Aktionäre die Wirksamkeit einer Einladung in Zweifel ziehen, indem sie sich gegen die Wirksamkeit der Bestellung des eingetragenen Vorstandsmitglieds wenden. Da die Aktionäre den Vorstand der Aktiengesellschaft nicht direkt wählen, bestehe ein Interesse der Aktionäre daran, mit einem Blick in das Handelsregister die Berechtigung der einladenden Vorstandsmitglieder zu überprüfen und Rechtssicherheit erlangen zu können.

Diese Interessenlage sei auf die GmbH nicht übertragbar. In der GmbH liegt die Befugnis über Bestellung und Abberufung der Geschäftsführer bei den Gesellschaftern. Die GmbH-Gesellschafter ständen daher dem Vorgang viel näher als die Aktionäre der Aktiengesellschaft. Hinzu käme, dass sich die Einberufung zur Hauptversammlung der Aktiengesellschaft durch Bekanntmachung an einen unbestimmten Personenkreis richte, während die zur Gesellschafterversammlung einzuladen Gesellschafter namentlich bekannt seien und die Einladung schriftlich erfolge.

Bei dieser Wertung stellt der Bundesgerichtshof klar auf die "Grundform" der Gesellschaftstypen ab. Die teilweise erheblichen Typenunterschiede, die sich abweichend von der allgemeinen Rechtsform bei diesen zwei Gesellschaftstypen ergeben können, lässt er zurückstehen. So sind die Gesellschafter bei der großen voll mitbestimmten GmbH nicht in die Bestellung der Geschäftsführung eingebunden und die Aktionäre bei der kleinen börsenfernen Aktiengesellschaft bekannt.

Als Schlussfolgerung aus dem Urteil hat der abberufenen und noch im Handelsregister eingetragen Geschäftsführer zu beachten, dass er nicht wirksam zur Gesellschafterversammlung einladen kann. Lädt er trotzdem zur Versammlung und werden auf dieser Versammlung Beschlüsse gefasst, so sind diese nichtig, § 241 Abs. 1 AktG analog.

Es bleibt bei einer solchen Fallkonstruktion somit nur den Gesellschaftern vorbehalten, die Einladung zu einer Versammlung auszusprechen. Hierzu sind die Gesellschafter berechtigt, die über mehr als 10% der Geschäftsanteile verfügen, § 50 Abs. 1 GmbHG.

BGH Urteil vom 8.11.2016-II ZR 304/15


§ 15 HGB

(1) Solange eine in das Handelsregister einzutragende Tatsache nicht eingetragen und bekanntgemacht ist, kann sie von demjenigen, in dessen Angelegenheiten sie einzutragen war, einem Dritten nicht entgegengesetzt werden, es sei denn, dass sie diesem bekannt war.

§ 121 AktG

(2) Die Hauptversammlung wird durch den Vorstand einberufen, der darüber mit einfacher Mehrheit beschließt. Personen, die in das Handelsregister als Vorstand eingetragen sind, gelten als befugt. Das auf Gesetz oder Satzung beruhende Recht anderer Personen, die Hauptversammlung einzuberufen, bleibt unberührt

§ 50 GmbHG Minderheitsrechte

(1) Gesellschafter, deren Geschäftsanteile zusammen mindestens dem zehnten Teil des Stammkapitals entsprechen, sind berechtigt, unter Angabe des Zwecks und der Gründe die Berufung der Versammlung zu verlangen.

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