Bauliche Veränderung gem. § 22 Abs. 1 WEG / Pflichten des Verwalters

Der Bundesgerichtshof hat in einer Entscheidung vom 29.05.2020 zu Aktenzeichen V ZR 141/19 klare und eindeutige Aussagen zu den Pflichten des Verwalters getroffen, der sich anlässlich einer Eigentümerversammlung mit der Frage auseinandersetzen muss, ob ein Beschluss über eine bauliche Veränderung im Sinne des § 22 Abs. 1 des Wohnungseigentumsgesetzes als zustande gekommen zu verkünden ist, wenn nicht sämtliche Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft zugestimmt haben, also lediglich eine einfache Mehrheit ihre Zustimmung erklärt.

Die wesentlichen Leitsätze des BGH in der Entscheidung lauten wie folgt:

"Der Versammlungsleiter handelt nicht pflichtwidrig, wenn er einen mit einfacher Mehrheit gefassten Beschluss über die bauliche Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums gem. § 22 Abs. 1 Wohnungseigentumsgesetz als zustande gekommen verkündet, obwohl nicht alle Eigentümer zugestimmt haben, die über das in § 14 Nr. 1 WEG bestimmte Maß hinaus beeinträchtigt werden.

Der Verwalter muss in Vorbereitung einer Beschlussfassung über die bauliche Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums gem. § 22 Abs.1 WEG prüfen, ob einzelne Wohnungseigentümer ihre Zustimmung erteilen müssen und er muss die Eigentümerversammlung vor der Beschlussfassung über das Ergebnis seiner Prüfung informieren und ggf. auf ein bestehende Anfechtungsrisiko hinweisen.

Klärt der Verwalter die Eigentümerversammlung vor einer Beschlussfassung nicht in gebotener Weise über ein bestehendes Zustimmungserfordernis auf, handelt er im Sinne von § 280 Abs. 1 BGB pflichtwidrig. Einen Rechtsirrtum hat er aber nur dann zu vertreten, wenn seine Einschätzung offenkundig falsch ist.

Ist der Verwalter der Auffassung, dass die erforderliche Zustimmung einzelner Eigentümer fehlt und hat er deshalb Bedenken gegen die Verkündung eines auf eine bauliche Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums gem. § 22 Abs. 1 WEG gerichteten Beschlusses, für den sich eine einfache Mehrheit ausgesprochen hat, so kann er, statt das Zustandekommen des Beschlusses zu verkünden, eine Weisung der Wohnungseigentümer im Wege eines Geschäftsordnungsbeschlusses einholen."

Damit gibt der BGH dem Verwalter klare eindeutige und gut nachvollziehbare Handlungsempfehlungen, die ihn im Falle der Beachtung von dem sonst bestehenden nicht unerheblichen Risiko einer Haftung freizeichnet.

Bedauerlich ist, dass diese längst überfällige Entscheidung nicht schon vor Jahren ergehen konnte. Die Problematik wird sich erledigen, da nach der Neufassung der gesetzlichen Regelung (§ 20 Abs. 1 WEG – E) zukünftig jegliche bauliche Veränderungen mit einfacher Mehrheit beschlossen werden können. Zumindest soll dies für privilegierte bauliche Veränderungen (Modernisierungen / energetische Maßnahmen / Barrierefreiheit) gelten. § 20 Abs. 3 WEG – E sieht allerdings weiterhin für „allgemeine“ bauliche Veränderungen eine Zustimmung aller Eigentümer vor, die durch die Maßnahme nachteilig betroffen sein können.


Quelle: Urteil des BGH V ZR 141/19 vom 29.05.2020

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