Außerordentliche Kündigung bei Nebenpflichtverletzung?

Die Nebenpflichtverletzung eines Arbeitnehmers kann die Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen. Eine fristlose Kündigung kommt regelmäßig aber erst dann in Betracht, wenn das Gewicht der Pflichtverletzung durch besondere Umstände erheblich verstärkt wird.

Auch die Verletzung von vertraglichen Rücksichtnahmepflichten im Sinne von § 241 Abs. 2 BGB, die dem Schutz und der Förderung des Vertragszwecks dienen, kann - an sich - eine außerordentliche Kündigung eines Arbeitsverhältnisses aus wichtigem Grund rechtfertigen.

Dies hatte das Bundesarbeitsgericht bereits im Urteil vom 02.03.2006 (Az. 2 AZR 53/05) im Falle des Arztes festgestellt, der trotz Arbeitsunfähigkeit Ski fuhr und sich dabei so verletzte, dass die Arbeitsunfähigkeit erheblich länger dauerte.

Dass aber die Nebenpflichtverletzung allein nicht genügt, damit eine fristlose Kündigung wirksam ausgesprochen werden kann, zeigt das Urteil des BAG vom 26.03.2015 - 2 AZR 517/14.

In diesem Fall hatte der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber nicht mitgeteilt, dass er im Rahmen eines strafrechtlichen Verfahrens inhaftiert worden war. Dies reicht nach Auffassung des BAGs nicht, um eine außerordentliche Kündigung im Sinne des § 626 BGB zu rechtfertigen.

Das BAG stellte zwar fest, dass der Arbeitnehmer durch sein Verhalten gegen seine arbeitsvertragliche Mitteilungspflichten verstoßen hat. Er hätte den Arbeitgeber unverzüglich über seine Inhaftierung in Kenntnis setzen und, im Rahmen des Möglichen, über die voraussichtliche Haftdauer unterrichten müssen. Denn die in § 241 Abs. 2 BGB geregelte Nebenpflicht des Arbeitnehmers bestehe darin, auf die berechtigten Interessen des Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen. Diese Pflicht diene letztlich dem Schutz und der Förderung des Vertragszwecks. Aus ihr leite sich die allgemeine Pflicht des Arbeitnehmers ab, den Arbeitgeber im Rahmen des Zumutbaren unaufgefordert und rechtzeitig über Umstände zu informieren, die einer Erfüllung der Arbeitspflicht entgegenstehen.

Geht es um die Verletzung von Mitteilungspflichten, müssen für eine fristlose Kündigung aber notwendigerweise noch besondere Umstände hinzutreten, nach denen die Einhaltung der Kündigungsfrist für den Arbeitnehmer nicht mehr zumutbar ist. Erst wenn solche weiteren Umstände vorliegen, die das Gewicht der Pflichtverletzung erheblich verstärken, so das BAG, komme die fristlose Kündigung im Sinne des des § 626 BGB in Betracht.

Das sei z.B. der Fall, bei beharrlicher Nebenpflichtverletzung oder wenn das Verhalten des Arbeitnehmers erkennen lässt, dass er auch künftig die berechtigten Interessen des Arbeitgebers nicht wahren will.

Anmerkung: Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zeigt erneut, dass der Arbeitsgeber äußerst gründlich zu recherchieren und vorzutragen hat, um bei einer auf die Verletzung einer arbeitsvertraglichen Nebenpflicht gestützten Kündigung erfolgreich zu sein.

BAG Urteil vom 26.03.2015, 2 AZR 517/14

Fundstelle: BeckRS 2015, 71690


§ 626 BGB Fristlose Kündigung aus wichtigem Grund

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.
(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

§ 241 Abs. 2 BGB Pflichten aus dem Schuldverhältnis

Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten.

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