Ausgleichsanspruch des Franchisenehmers im anonymen Massengeschäft, § 89b HGB analog?

Im Urteil vom 05.02.2015 (Az. VII ZR 109/13) hatte sich der Bundesgerichtshof mit der in Rechtsprechung und Literatur heiß diskutierten Frage zu beschäftigen, ob einem Franchisenehmer nach Beendigung des Franchisevertrages ein Ausgleichsanspruch wie einem Handelsvertreter zustehen kann.

Unter den Voraussetzungen des § 89b HGB steht einem Handelsvertreter ein Ausgleichsanspruch gegen den Prinzipal zu, wenn dieser den vom Handelsvertreter geschaffenen Kundenstamm auch noch nach Beendigung des Vertragsverhältnisses weiter nutzen kann und somit auch künftig aus dessen Tätigkeit Vorteile zieht.

Im vorliegenden Fall betrieb der Franchisegeber eine Handwerksbäckerei-Kette mit 930 Bäckereien in Deutschland. Für diesen führte der Franchisenehmer zwei Backshops, die er vom Franchisegeber vollständig eingerichtet und betriebsfertig übernommen hatte, und verkaufte hierin die Waren der Franchisegeberin in eigenem Namen und auf eigene Rechnung. Eine vertragliche Verpflichtung, nach Vertragsbeendigung die Kundendaten an den Franchisegeber herauszugeben, wurde nicht getroffen. Der Franchisenehmer war jedoch verpflichtet, die Geschäftsräume nach Vertragsende an den Franchisegeber zurückzugeben. Dem Franchisegeber war es daher ohne Weiteres möglich, durch die Übernahme der Geschäftsräume auf faktischer Ebene, von den durch den Franchisenehmer gewonnenen Kunden zu profitieren. Der Franchisenehmer nahm den Franchisegeber deshalb auf Zahlung eines Ausgleichsanspruches in Höhe von 116.400,55 € in Anspruch. Im Ergebnis ohne Erfolg.

In seinem Urteil führt der BGH zunächst aus, dass eine entsprechende Anwendung des § 89b HGB grundsätzlich auch bei anderen im Vertrieb tätiger Personen entsprechend anwendbar sein kann. Voraussetzung sei hierfür allerdings, dass die Interessenlage dieser Personen denen des Handelsvertreters gleicht.

Eine solche vergleichbare Interessenlage - und damit die Möglichkeit einer entsprechenden Anwendung des § 89b HGB - hat der BGH für Vertragshändler mit Urteil vom 29.04.2010 (Az. I ZR 3/09) bestätigt.

Zumindest für den streitgegenständlichen Franchisevertrag sieht der BGH jedoch keine mit einem Handelsvertreter vergleichbare Interessenlage.

Zwar sei ein Franchisenehmer, der einen vollständig eingerichteten und betriebsbereiten Backshop übernimmt, in einem solchen erheblichen Maße in die Absatzorganisation des Franchisegebers eingegliedert, dass diese mit der Stellung eines Handelsvertreters vergleichbar sei. Für eine vergleichbare Interessenlage fehle es jedoch an der für einem Handelsvertreter bestehenden rechtlichen Verpflichtung zur Übertragung des Kundestammes. Eine bloße faktische Kontinuität des Kundenstammes - durch Weiterführung eines Backshops in den Geschäftsräumen durch den Franchisegeber selbst oder einen neuen Franchisenehmer - reiche hierfür, jedenfalls nicht im Bereich des anonymisierten Massengeschäftes, nicht aus. Denn nach der gesetzlichen Wertung des Pachtverhältnisses kommt ein etwaiger Wertzuwachs der Pachtsache dem Verpächter zugute.

Klarheit besteht nach Erlass dieses Urteils dahingehend, dass ein solcher Anspruch dem Franchisegeber jedenfalls dann nicht zusteht, wenn dem Franchisegeber im anonymen Massengeschäft nur der Vorteil einer faktischen Kontinuität des Kundesstammes als Vorteil verbleibt. Die weiteren, heftig diskutierten Fragen, musste (und wollte) der BGH in seinem Urteil nicht beantworten.

Ob einem Franchisenehmer, der vertraglich zur Übertragung seines Kundenstammes verpflichtet ist, ein Ausgleichsanspruch im Sinne des § 89b HGB zusteht, bleibt somit auch weiterhin offen.

BGH, Urteil vom 05.02.2015 - VII ZR 109/13

« zurück