Anfechtung Erbschaft bei Irrtum über Verjährung Nachlassverbindlichkeit

Die falsche Vorstellung eines Erben, eine gegen den Nachlass gerichtete Forderung sei verjährt, betrifft die Zusammensetzung des Nachlasses hinsichtlich seines Bestands an Aktiva und Passiva. Insoweit liegt ein Irrtum des Erben über eine verkehrswesentliche Eigenschaft des Nachlasses vor, wenn nach Durchführung eines Zivilverfahrens feststeht, dass die Forderung entgegen der Vorstellung des Erben nicht verjährt ist, und sich der Nachlass nunmehr als überschuldet erweist.

Gemäß §§ 119 Abs. 2, 1954, 1956 BGB kann die Annahme der Erbschaft angefochten werden, wenn ein Irrtum über eine verkehrswesentliche Eigenschaft des Nachlasses vorgelegen hat.

Das Oberlandesgericht München hatte einen Fall zu entscheiden, in dem die Erben davon ausgegangen waren, dass eine Nachlassverbindlichkeit verjährt war. Nachdem gerichtlich festgestellt worden war, dass die Forderung nicht verjährt war, haben sie die Annahme der Erbschaft angefochten.

Das OLG München ist zu dem Ergebnis gelangt, dass die irrige Annahme, eine Nachlassverbindlichkeit sei verjährt, ein Irrtum über eine verkehrswesentliche Eigenschaft der Erbschaft, also über die Zusammensetzung des Nachlasses darstellt. Dies sei ein Irrtum darüber, dass die Forderung überhaupt eine Nachlassverbindlichkeit darstellt und damit den Nachlass belastet.

Infolge dieses Irrtums kann die Annahme der Erbschaft angefochten und die Erbschaft ausgeschlagen werden

OLG München, Beschluss vom 28.07.2015 – 31 Wx 54/15

Fundstelle: FamRZ 2015, 2195 f.


§ 119 BGB Anfechtbarkeit wegen Irrtums

(1) Wer bei der Abgabe einer Willenserklärung über deren Inhalt im Irrtum war oder eine Erklärung dieses Inhalts überhaupt nicht abgeben wollte, kann die Erklärung anfechten, wenn anzunehmen ist, dass er sie bei Kenntnis der Sachlage und bei verständiger Würdigung des Falles nicht abgegeben haben würde.

(2) Als Irrtum über den Inhalt der Erklärung gilt auch der Irrtum über solche Eigenschaften der Person oder der Sache, die im Verkehr als wesentlich angesehen werden.

§ 1954 BGB Anfechtungsfrist

(1) Ist die Annahme oder die Ausschlagung anfechtbar, so kann die Anfechtung nur binnen sechs Wochen erfolgen.

(2) Die Frist beginnt im Falle der Anfechtbarkeit wegen Drohung mit dem Zeitpunkt, in welchem die Zwangslage aufhört, in den übrigen Fällen mit dem Zeitpunkt, in welchem der Anfechtungsberechtigte von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erlangt. Auf den Lauf der Frist finden die für die Verjährung geltenden Vorschriften der §§ 206, 210, 211 entsprechende Anwendung.

(3) Die Frist beträgt sechs Monate, wenn der Erblasser seinen letzten Wohnsitz nur im Ausland gehabt hat oder wenn sich der Erbe bei dem Beginn der Frist im Ausland aufhält.

(4) Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn seit der Annahme oder der Ausschlagung 30 Jahre verstrichen sind.

§ 1956 BGB Anfechtung der Fristversäumung

Die Versäumung der Ausschlagungsfrist kann in gleicher Weise wie die Annahme angefochten werden.

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